Beitrag von 9:37 Allerlei

Diabetes schreibt Gedichte

Wie Lukas Diestel seine Krankheit dazu nutzt Gedichte zu schreiben

Diabetes mellitus – umgangssprachlich meist ‚Zuckerkrankheit‘ genannt – ist eine chronische Stoffwechselerkrankung. Verantwortlich dafür ist die Bauchspeicheldrüse, die bei gesunden Menschen das Hormon Insulin produziert, das den Zuckerhaushalt im Körper reguliert. Im Falle einer Erkrankung fehlt dieses Hormon oder ist nur im unzureichenden Ausmaß vorhanden.
Diabetiker sind darauf angewiesen durch Messung des Blutzuckerspiegels festzustellen, ob im Körper Insulin fehlt. Gegebenenfalls kann durch geeignete Therapie ein momentaner Mangel wieder ausgeglichen werden.

Lukas Diestel leidet an Diabetes Typ1, jene Art von Diabetes, die meist schon in jungen Jahren ausbricht.

Doch Lukas Diestel ist auch Künstler, der sich selbst so beschreibt:

Ich schneide Wörter aus Texten und bringe sie in neue Reihenfolgen.

Darüberhinaus hat er auch einen unglaublich kreativen Weg gefunden mit seiner Krankheit umzugehen und die Gedichtgrube ins Leben gerufen. Dort arbeitet seine Krankheit gewissermaßen für ihn. Diabetes erschafft Gedichte.

Und das geht so:

Alle 5 Minuten misst ein Silikonfaden in meinem Arm meinen Gewebezucker und schickt ihn an mein Smartphone, an einen Server. Dort wird abhängig vom Wert und ob er für meine Gesundheit gut oder schlecht ist eine Stimmung ausgewählt. Basierend auf der Stimmung schreibt dann eine von mir trainierte KI ein Gedicht und lädt es komplett ungelesen auf diese Seite hoch. Ihr könnt euch die ungelesenen Gedichte hier anzeigen lassen. Im Grunde genommen ist das Gedichte-Tinder. Wenn euch ein Gedicht gefällt, könnt ihr euch als Entdecker_in eintragen und es damit in die Galerie befördern.
– Info aus der Gedichtgrube-Website



Lukas, wie bist du auf die doch recht außergewöhnliche Idee gekommen, die Blutzuckermessung in deinen kreativen Prozess zu integrieren?

Die Idee für das Projekt entstand über den Blutzuckersensor, den ich trage. Ich fand es irgendwie schade, diese Menge an generierten Zahlen (1 Wert alle 5 Minuten) „nur“ für die Überwachung meines Blutzuckerspiegels zu verwenden. Da ich mich zeitgleich aus Eigeninteresse ein bisschen in Sprachgenerierung mit künstlicher Intelligenz eingelesen hatte, war das Zusammenführen der beiden Gebiete dann fast schon ein logischer Schritt.

Welche größeren Hürden gab es bei der Umsetzung zu überwinden?

Die größte Hürde waren in jedem Fall meine bescheidenen Programmierkenntnisse, die aus jedem größerem Problem ca. 30 geöffnete Tabs im Browser machten.

Es werden ja unzählige Gedichte generiert, die nur zu einem geringen Teil das Licht der Website-Galerie erblicken. Wie geht man mit all diesen eigentlich vorhandenen, aber nie gelesenen Gedichten um?

Es ist tatsächlich ein komisches Gefühl teilweise über 1000 testweise generierte Gedichte mehr oder weniger ungelesen zu löschen. Das fand ich dann aber doch irgendwie spannend und hab es kurzerhand mit in das Projekt integriert. Das schöne in dem Fall ist, dass ja kein Mensch hinter den Gedichten steht, man also guten Gewissens „Das ist schlecht, das mag ich gar nicht.“ sagen kann, ohne die Gefahr jemanden dadurch zu verletzen.


Auf der Website können die unzähligen Gedichte, die ganz ohne Zutun eines Menschen entstanden sind, entdeckt, verworfen oder aber in eine Galerie aufgenommen werden.
Ich habe ein sehr schönes aufgestöbert und in die Galerie übermittelt:

Ein großartiges Projekt.

Wer mehr erfahren und selber Gedichte entdecken möchte, findet alle Informationen auf der Gedichtgrube-Website.

Mehr Informationen zu Lukas Diestel (und die Möglichkeit, seine Cut-Out-Poetry zu kaufen) gibt es auf lukasdiestel.de.